Am 30.12. habe ich mich auf dem Weg gemacht, um Silvester mit vier anderen Freiwilligen in Varanasi zu verbringen. Die Stadt liegt in Uttar Pradesh ungefähr 700 Kilometer von Bhopal entfernt. Für viele Hindus ist diese Stadt heilig und ist bekannt für ihre religiösen Rituale am Fluss Ganges. Was Jerusalem für Christen, Mekka für Moslems ist, ist Varanasi (oder auch Benares genannt) für Hindus. Zunächst bin ich über Delhi nach Varanasi geflogen, um allerdings wirklich in die Stadt selber zu kommen, musste ich die letzten 30 Kilometer mit einem Taxi hinter mich bringen. Das war schon das erste Abendteuer, denn ich war ja schließlich alleine unterwegs und davor hatten mich alle gewarnt. Als ich also aus dem Flughafen kam, wurde ich auch direkt von einem angequatscht, der mich für 750 Rupien zu dem Hotel bringen sollte, das die anderen Freiwilligen für uns nahe des Ganges gefunden hatten. Die Fahrt dauerte eine Stunde und der Taxifahrer war supernett und versprach mir, mich wann immer ich will von überall zum Flughafen zu bringen. Für die letzten Kilometer besorgte er mir dann noch eine Fahrrad-Riksah für wenig Geld, die mich dann zu dem Restaurant brachte, wo ich die Anderen schließlich traf.
Froh, uns nach 5 Monaten endlich wieder zu sehen, haben wir nach einem kurzen Abstecher im Guest House auch direkt die Stadt erkundet. Es gab sehr viele Touristen – die ganze Stadt scheint darauf eingestellt zu sein und nahezu jede spricht Englisch. Trotzdem fehlt es der Stadt keinesfalls an indischem Flair. Den Fluss entlang gibt es unzählige Ghats, also Treppenstufen, die für religiöse Zwecke und zum Meditieren genutzt werden. Überall werden einem Bootstouren oder Stadtführungen angeboten.
Wir inspizierten die engen Marktgassen, die erste Leichenverbrennungsstätte (Details dazu später) und auch einen der ersten unzähligen Tempel in Varanasi. Da ich in Bhopal ja mit vielen Priestern und Schwestern zusammenlebe, habe ich von der Religion des Hinduismus bis jetzt noch gar nicht so viel mitbekommen. Umso interessante r war es, die vielen Dinge, die man in Reiseführern und im Internet schon gesehen hatte, endlich auch mal „live“ zu sehen. Man sieht viele Menschen, die im Ganges baden gehen, um sich zu reinigen und sich von ihren Sünden reinzuwaschen und ihr Karma zu stärken. Nach einem kurzen Trip über den Markt haben wir dann auch so eine Fahrt mit dem Ruderboot gemacht, da man, laut Aussage unseres Bootsführers, die religiöse Zeremonie des Abends am besten vom Wasser aus betrachten kann. Übrigens hat der Besitzer des Guest Houses uns diesen Bootsmann vermittelt, genauso wie er uns auch Riksahs, Taxis und Restaurants vermitteln konnte. Mit dem Boot sind wir also bis zu einem Ghat gerudert, wo viele Kerzen und Lichter angezündet waren, Musik gespielt wurde und fünf Männer das Ritual mit viel Gebet und Räucherstäbchen zelebrierten. Zum Abendessen sind wir dann ins Guest House zurückgefahren, wo wir auf der Dachterasse (von der man den Ganges sehen konnte) ausnahmsweise sehr heimisch gegessen haben. Das Guest House hat wohl überwiegend Touristen aus anderen Ländern zu Gast, denn es gab auf der Karte auch Porridge, Rührei, Lasagne, Müsli und viele andere Sachen. So konnten wir nach 5 Monaten Reis auch mal ein mehr oder weniger gutes „Schinitzel“ oder einen guten Salat essen.
Am nächsten Morgen sind wir dann um 5 Uhr aufgestanden, um den Sonnenaufgang am Ganges zu beobachten. Leider war es sehr nebelig, sodass die Sonne nur halb so spektakulär aussah, wie es uns der Taxifahrer beschrieben hatte. Dafür hörten wir schon von weitem ein lautes „Oooooooommmmmmm!“. Am Straßenrand fand eine Runde Meditation statt, angeleitet von einem Guru auf einer Bühne. Nach dem Frühstück haben wir uns auf den Weg gemacht, um die vielen Tempel in Varanasi zu erkunden. Wenn man den Ganges entlang geht und von dort in die vielen Gassen einbiegt, findet man unzählige davon. Auf dem Weg hatten wir viel Zeit, uns auszutauschen, Affen zu bestaunen und die vielen Straßenhunde mit Keksen zu füttern. Auch begegneten uns viele Bettlerkinder, die von den vielen Touristen vermutlich profitieren. In den Häusern konnte man immer wieder Webstühle entdecken, mit denen echte Seidensarees und Schals produziert werden. Auch ich habe mir einen solchen Seidenschal gekauft (für das Dreifache wie in Bhopal übrigens…).
Der größten Tempel, den wir besichtigten, war von der Göttin Shivu, einer der wichtigsten Göttinnen des Hinduismus. Natürlich mussten wir unsere Schuhe ausziehen und wurden mit einem Bindu, also einem Punkt auf der Stirn, ausgestattet. Im Inneren des Tempels gab es dann einige Steinfiguren, sehr viele Blumen und Kerzen und wieder meditierende Menschen. Manche Tempel waren allerdings auch geschlossen.
Außerdem haben wir auch eine hinduistische Leichenverbrennungsstätte direkt am Ganges gesehen. Das war wirklich sehr interessant und zeigt viel vom Glauben den Hindus. Sie werden nicht beerdigt, sondern verbrannt. Die Asche wird danach in den Ganges geworfen. Da sie an die Wiedergeburt glauben, muss der Körper nach dem Tod verbrannt werden, damit die Seele in den neuen Körper übergehen kann. Nur Schwangere, Kinder unter 5 Jahren, Leprakranke und Bettelmönche werden nicht verbrannt, da sie sowieso ins Nirwana kommen. Der Tod ist also für Hindus nichts Trauriges, sondern gehört zum Lebenskreislauf dazu. Trotzdem dürfen Frauen an der Zeremonie nicht teilnehmen, da sie, nach eigener Aussage, zu schnell weinen. Je nachdem, wie gut ihr Karma ist – also wie gut sie in ihrem Leben gehandelt haben – desto besser ist die Kaste, in der sie wiedergeboren werden. Das Ziel ist es, diesem Kreislauf zu entkommen und ins Nirwana zu gelangen.
Die Verbrennungen finden öffentlich statt, aber es dürfen keine Fotos gemacht werden, damit die Seele nicht verunreinigt wird. Aber auf christlichen Beerdigungen würde man ja auch keine Fotos machen. Der Leichnam wird auf einer Bahre mit Blumen geschmückt zum Ganges getragen und dann mit speziellem Holz verbrannt. Außerdem werden viele Gewürze dazugetan, damit das ganze nicth so stinkt. Der älteste Sohn oder Cousin entzündet den Scheiterhaufen mit dem Feuer aus einem Tempel und umrundet den Leichnam fünf Mal wegen den fünf Elementen.
All diese Informationen habe ich übrigens von einem angeblich hilfsbereiten Hindu, der uns vor Ort alles erklärt hat und Fragen beantwortet hat. Als wir alles gesehen haben und gehen wollen, fordert er allerdings Geld von uns, weil er angeblich für ein Hospiz für Menschen arbeitet, die sich die Zeremonie nicht leisten können. Das ist natürlich Quatsch. Dieser Mann arbeitet wahrscheinlich für eine Art Organisation, er hat uns sehr gekonnt um den Finger gewickelt und um uns herum standen viele Männer, die ähnlich aussahen. Da wir schon vor solchen Menschen gewarnt wurden, verschwinden wir schnell in einer Seitengasse und er lässt uns in Ruhe. Insgesamt war es natürlich etwas gruselig, eine Leichenverbrennung anzuschauen, vor allem weil man manchmal noch die Füße oder sogar die Knie aus dem Feuer hängen sieht und es eben ziemlich viele Feuer auf einmal sind. Wenn man dann aber die Bedeutung dieser Bestattung verstanden hat, ist es schon nur noch halb so gruselig. Leider kann ich an dieser Stelle keine Bilder zeigen, da das Fotografieren wie gesagt verboten war.
Den letzten Abend des Jahres haben wir dann nach einem guten Abendessen auf eine der Treppen verbracht und uns die Zeremonie am Ganges sozusagen von der Landseite angeguckt und uns einfach nur unterhalten. Allerdings wurde es mit der Zeit immer leerer in der Stadt und nicht voller, wie wir es aus Deutschland kennen. Also haben wir uns auch irgendwann auf den Weg zum Hotel gemacht. Auf dem Weg haben uns dann super viele Leute ein Happy New Year und Gute Nacht gewünscht – wie es aussieht gehen sie also schon vor Mitternacht schlafen. Auf unserer wunderschönen Dachterrasse haben wir dann um Mitternacht mit einem Milchshake angestoßen und das etwas kleine Feuerwerk und den Ganges betrachtet.
Nach einem ausgiebigen Frühstück und einem letzten Spaziergang am Ganges habe ich mich dann am nächsten Morgen wieder auf den Rückweg gemacht und bin wieder über Delhi zurück nach Bhopal geflogen. Insgesamt hatte ich drei wunderschöne Tage und es tat mir wirklich gut, mich mit den anderen Freiwilligen auszutauschen. Auch die Informationen, die ich über den Hinduismus erfahren habe, fand ich sehr interessant und hilfreich. Die Menschen aus den Hotels und Taxen und Riksahs waren alle sehr hilfsbereit, zuvorkommend und nett und sowieso wird gerne auch mal etwas länger ein Schwätzchen mit einem Ausländer gehalten.